35-jähriges Bestehen des „Biotop Am Stausee“ – Mitglieder erzählen wie alles begann Und mehr…
Interview mit Fredi Niffeler (FN), Toni Lenz (TL) und Kurt Krüger (KK)
(ehem. langjährige Vorstandsmitglieder und Mitglieder der Biotopkommission bis 2010)
Wie ist eure Liebe zur Natur entstanden?
FN: Ich bin in einer Familie aufgewachsen in der das Wort „Natur“ Gross geschrieben wurde. Mein Vater hat uns viel über die Tier- und Pflanzenwelt beigebracht. Dies hat mein Leben sehr geprägt.
TL: Ich bin als Kind auf dem Bauernhof aufgewachsen und habe dadurch schon einen starken Bezug zur Natur und vor allem zu den Tieren bekommen. Als 13- jähriger bin ich auf anraten meines Biolehrers, 1948 in den Schweizerischen Bund für Naturschutz (heute Pro Natura) aufmerksam gemacht worden und sofort beigetreten.
KK: Bin mit Bauern in der Umgebung Nidau am Bielersee aufgewachsen, damals war das Seeland noch teilweise ein richtig wildes Naturparadies, so war die Berührung zur Natur unmittelbar.
Was hat euch dazu bewogen sich für die Anliegen der Natur im Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden zu engagieren?
FN: Als „Lozärner“ hat mich mein Beruf als Zollbeamter nach Basel verschlagen. Hier hat mich TL motiviert dem NVVB beizutreten
TL: 1968 bin ich auf Birsfelden gezogen und dort in die OGBirsfelden (Heute: OGimpel). eingetreten. 1982 wurde der NVVB gegründet, so wechselte ich dorthin und engagierte mich da auch gerade im Vorstand. Weiter war ich bis 2010 Mitglied in der Biotopkommission.
FN u. TL: Auch der damals schon gut erkennbare Rückgang der Artenvielfalt und der Große Druck auf die Natur haben uns bewogen auf Gemeindeebene sich für die Natur einzusetzen.
KK: Ich bin 1962 in die Region Basel und später mit meiner Frau nach Birsfelden gezogen. War Jung, hatten nicht viel Geld und suchte eine sinnvolle Beschäftigung neben meiner Arbeit beim Zoll. Meine Arbeitskollegen FN u. TL haben mich auf den NVVB aufmerksam gemacht, seitdem bin ich Mitglied.
Gibt es ein Thema im Naturschutz, was euch besonders fasziniert?
FN: Die Spechte im Hardwald haben mich besonders fasziniert, sodass ich mich entschloss, diese zu kartieren. Beinahe zwei Jahrzehnte bin ich den Spechten nachgestiegen. Besonders der gefährdete Mittelspecht lag im Fokus meiner Erhebungen. Durch die Förderung der Eichen dort, kann man heute sehen, hat sich der Bestand der Mittelspechte in der Region erfreulicherweise erholt und er nimmt sogar leicht zu.
TL: Ich bin ein geborener Naturfreund, somit bin ich von der unglaublichen Vielfalt der Natur im Ganzen fasziniert.
KK: Ja genau Toni, die wunderbare Pflanzen- und Tierwelt die wir haben, müssen wir mit aller Kraft weiterhin schützen.
Ihr wart lange Jahre Vorstandsmitglieder und habt euch in der Biotopkommission über 20 Jahre intensiv um die Pflege des „Biotop Am Stausee“ gekümmert, was waren eure grössten Erfolge?
FN: Im Jahre 1984 wurde ich mit TL und Theo Wagner in die Biotopkommission gewählt, später kamen noch KK und Fritz Liechti hinzu. Im Team übernahmen wir die Betreuung des „Biotop Am Stausee“, hegten und pflegten in unzähligen Frontdienststunden das Gebiet. Im Jahr 1995 wurde ich in den Vorstand des NVVBs gewählt. Dort wurde mir das Resort „Vogelschutzobmann“ zugeteilt. Ich war massgeblich am Aufbau der Nistkastenanlage im Hardwald, dem Aufbau des Mauersegler- und Mehlschwalbenparks in der Gemeinde beteiligt. Schlussendlich habe ich die Waldkauz-Nistkästen im Hardwald reaktiviert. Über den Bruterfolg der Vögel und der Siebenschläfer führte ich Statistik. Zudem leitete ich diverse Verein Exkursionen und organisierte eine mehrtägige Reise an die Nordsee mit Aufenthalt in Husum und Hallig Hooge. Im Weiteren habe ich während vieler Jahre das Mitteiliungsblatt des NVVB geführt. Schlussendlich haben wir einen Jugendkurs zur Einführung in die Ornithologie durchgeführt.
TL: Natürlich die Gründung des „Biotop Am Stausee“ 1983 mit der Pflege: Heuen, Mahd, Hecken- und Teichpflege etc. Im ersten Jahr hatten wir einen Aufwand von 1’155 Stunden! Viele Vereinsmitglieder halfen mit, auch zwei Schulklassen. Der Erfolg der Verhinderung des Baus eines Hochhauses anstelle des Teiches war ein weiterer Meilenstein. Die damalige Situation mit dem Kraftwerk war nicht so rosig.
KK: Die gemeinsame Beschäftigung unter Gleichgesinnten in der Natur. Weiter machte mir die Tätigkeit im Vorstand als Protokollführer viel Spass. Mein Ansporn war, dass ich kurz nach der Vorstandsitzung alles ins Reine schrieb und meine Vorstandskollegen schon am nächsten Tag damit beliefern konnte.
An welches Erlebnis im Zusammenhang mit dem „Biotop Am Stausee“ könnt ihr euch erinnern?
FN: Die Hochhaus-Geschichte 2001/2003: Die Kraftwerk Birsfelden AG, wollte ihr Reserveland umzonen lassen und an der Stelle wo sich der Teich des „Biotop Am Stausee“ befindet ein 74m hohes Hochhaus hinbauen. So wäre das ganze Naturschutzgebiet „Biotop Am Stausee“ in seiner Einheit mit seinen artenreichen Lebenräumen (Hecken-, Trocken- und Feuchtbiotop und den Kleinstrukturen) zerstört worden. Zum Glück wurde der 74m hohe Wohnturm vom Birsfelder Souverän verworfen. Dadurch konnte das Naturschutzgebiet erhalten bleiben.
TL: Ja, genau die leidige Hochhausgeschichte. Doch für mich überwiegt der Einflug des Dunkellaubsängers ins Gebiet 1992, ein Irrvogel aus Sibirien. Es war die Erstbeobachtung dieses Vogels überhaupt in der Schweiz, bis heute!
KK: Für mich war es immer eindrücklich, was durch das Mithelfen alles daraus entstehen und sich weiterentwickeln konnte.
Wenn ihr ein Vogel wärt, welcher wäre es und warum?
FN: Ein Blaukehlchen. Der Langstreckenzieher legt in unregelmässigen Abständen im „Biotop Am Stausee“ (Weisssternige Blaukehlchen: 1. April 2013) oder auf der Kraftwerkinsel einen Zug halt ein. Dabei fasziniert mich die auffallende Blaufärbung von Kehle und Brust die das Männchen im Brutkleid zeigt. Das Rotsternige Blaukehlchen besuche ich regelmässig in seinem Brutgebiet in den Schweizer Alpen.
TL: Ein Steinadler, weil der die Möglichkeit hat von oben herab die schöne Natur sich anzuschauen.
KK: Die Amsel, wegen ihrem wunderbaren Gesang
Wenn ihr ein Säugetier wärt, welches wäre es und warum?
FN: Ein Siebenschläfer. Nicht etwa, weil sie den ganzen Tag verschlafen, sondern weil sie so drollige Knopfaugen und einen buschigen Schwanz haben. Ich habe die heimlichen Untermieter in den Nistkästen unserer Nistkastenanlage im Hardwald kennengelernt. Leider geht der Bestand zurück.
TL: Eigentlich der Homo sapiens, doch er hat sich leider zum „Destruk-ziensis“ in Sache Natur entwickelt.
KK: Der Bär, wegen meinen Emmentaler-Wurzeln „Berner-Bär
Habt ihr eine Lieblingspflanze?
FN: Generell die Orchideen haben es mir angetan. Die raren Spezies gibt es auch noch an einigen Standorten in unserer Gemeinde und werden meistens übersehen. Viele davon wurden leider durch falsche Grünflächenpflege aber auch zerstört.
TL: Ja, auch beim mir sind es die wildwachsenden Orchideen. Ich habe viele Orte in der Schweiz bereist, die als Hotspot für diese Art gelten. Leider werden durch moderne Pflegeeingriffe mit Maschinen diese Orte immer weniger. Auch in Birsfelden hat es noch weniger Bestände, vor allem im Hafengebiet.
KK: Mich beeindruckt die gesamte Pflanzenwelt und wie alles zusammenhängt
Das „Biotop Am Stausee“ gibt’s es nun schon 35 Jahre, seid ihr zufrieden was daraus geworden ist?
FN: Man darf nie zufrieden sein. Doch das „Biotop Am Stausee“ ist ein Kleinod und ist nicht mehr wegzudenken. Immer wieder lockt das „Biotop Am Stausee“ seltene Zugvogelarten wie Dunkellaubsänger, Gelbbrauen-Laubsänger oder Samtkopfgrasmücke an. Schade nur, dass das umliegende Gelände weitere Gestaltungsmöglichkeiten bzw. Vergrösserung momentan nicht zulässt.
TL: Doch, doch mehr kann man auf diesem 11’200 m2 Stücken Land nicht herausholen – Ich bin sehr zufrieden. Sowieso seitdem es darüber eine Vereinbarung gibt mit der Landbesitzerin.
KK: Ja, weil es sehr gut gepflegt wird, aber niemals zuviel, so das man manchmal meinen könnte, es sah dort immer so aus.
Zum Schluss möchte ich gerne wissen, was wünscht ihr euch für die Zukunft des „Biotop Am Stausee“ und für die Naturvielfalt der Gemeinde Birsfelden?
FN: Ich wünsche mir, dass das „Biotop Am Stausee“ noch lange erhalten bleibt. Auch kleine Biotope (Lebensräume) sind für die Artenvielfalt und für die Vernetzung wichtig, da die Vernetzung die Artenvielfalt bestimmt. Gerade die Gemeinde Birsfelden sollte zur ihren letzten grünen Oasen Sorgen tragen. Der NVVB muss weiterhin dranbleiben und sich für das „Biotop Am Stausee“ Stark machen. Geht das Bewusstsein für solche Oasen verloren, wird es bald in der verbauten Gemeinde keine wilde Natur mehr geben. Bleibt zu hoffen, dass die Kraftwerk Birsfelden AG und die Gemeinde Birsfelden auch in Zukunft den Wert des Natur-Bijous erkennen und die Parzelle 1550 nicht überbauen. Deshalb muss der NVVB im Siedlungsraum unserer Gemeinde den Pflanzen- und Tierwelt vermehrt Hilfe leisten. Projekte, die Schuljugend in die Belange der Natur einzuführen hat der NVVB immer wieder unternommen. Doch als ehrenamtlicher Verein mit vielen Werktätigen ist es nicht immer einfach, solche Angebote anzubieten. Es ist daher auch die Aufgabe der Gemeinde dem nachzukommen.
TN: Es sollte mit dieser Vielfalt an Lebensräume genauso erhalten bleiben und das die „Biodiversität im Siedlungsraum“ verbessert wird. Das die heutigen Rasenflächen (Kulturwüsten) endlich in Blumenwiesen- /Blumenrasen verwandelt werden! Selbst in den Familiengärten sieht man eine Tendenz, dass ehemalige Gemüsebeete in konventionelle Rasenflächen verwandelt werden (Einzelne sogar 75%). Man stellt dann dort Wildbienenhäuser drauf, für was? Wenn keine Blütenpflanzen, die Nektar produzieren wachsen, welche die Hauptnahrung der Wildbienen sind?! Weiter hoffe ich, dass ich die teilweise doch noch intakte Natur lange geniessen darf.
KK: Ich hoffe, dass es in diesem Rahmen so erhalten bleibt und weiterhin engagierte Leute sich darum kümmern. Denn, man kann gar nicht ermässen, was die einzelnen Leute dafür aufbringen! Weiter erhoffe ich mir für Birsfelden, dass die Ausgewogenheit von Wohnen, Grünflächen, Industrie, Wald, so bleibt und nicht geopfert wird durch Projekte an der Bevölkerung vorbei. Gerade der geplante massive Verlust vieler alter Bäume im Zentrumsplanung und das in Zeiten des Klimawandels wo jeder ältere Baum eigentlich Gold-Wert sein müsste – Macht mir da grosse Sorgen!
Interview geführt durch Vorstandsmitglied: Judith Roth, im August u. November 2018
Serie 1-6
1: Fritz Raschdorf (1934 – 2019)
2: Guido Müller
3: Heiner Lenzin
4: Fritz Liechti
5: Fredi Niffeler, Toni Lenz und Kurt Krüger
6: Örni Akeret