INTERVIEW-SERIE 2/6: 35 JAHRE „BIOTOP AM STAUSEE“

Guido Müller auf dem Trockenbiotop - Biotop Am Stausee, Juli 2018 (© NVVB)

Guido Müller auf dem Trockenbiotop – Biotop Am Stausee, Juli 2018 (© NVVB)


35-jähriges Bestehen des „Biotop Am Stausee“ – Mitglieder erzählen wie alles begann Und mehr…

Interview mit Guido Müller (NVVB-Gründungsmitglied und NVVB-Präsident von 1983 bis 1991)

Stell dich bitte in 2 Sätzen kurz vor
Ich bin im schönen aargauischen Wyhnenthal mit zwei Geschwistern aufgewachsen und verbrachte meistens eine schöne, wenn auch nicht leichte Jugendzeit. Ich bin seit 57 Jahren mit meiner Frau Magrit verheiratet, habe zwei Kinder und 4 Enkelkinder, bin jetzt Rentner zuvor war ich Grenzwächter und viele Jahre im Innendienst beim Schweizer Zoll tätig.

Wie ist deine Liebe zur Natur entstanden?
Schon als Schulkind habe ich bei den Bauern vor Ort bei der Feld- und Heuarbeiten mitgeholfen, so kam ich bereits in engen Kontakt mit der Natur. Wir gingen auch viel in den Wald um Beeren und Pilze zu sammeln und wie zu dieser Zeit üblich auch Brennholz und Tannenzapfen, dabei sind wir oft Rehen und Hasen begegnet. Vor allem hatten wir aber einen Lehrer der sich nicht genau an den Stundenplan hielt, so kam es ab und zu vor, dass wir das Klassenzimmer bei schönem Wetter immer mal wieder in die Natur verlegten.

Auch bei meiner Ausübung als Grenzwächter, war ich ja viel draussen in der Natur. So ist mein Interesse an der Natur immer mehr gewachsen und da ich oft in der Nacht im Jura im Einsatz war, konnte man den damals dort noch zahlreichen Stein- und Waldkäuzen lauschen und so manche andere spannenden Tierbeobachtungen machen.

Was hat dich dazu bewogen sich für die Anliegen der Natur in Birsfelden zu engagieren?
Mein Berufskollege Toni Lenz* (NVVB-Gründungsmitglied) und ich haben schon von Basel aus gemeinsam ornithologische Exkursionen unternommen. Als wir dann im 1968 nach Birsfelden zogen, sind wir schon bald der Ornithologischen Gesellschaft Birsfelden (Heute OG-Gimpel Birsfelden) beigetreten. Birsfelden war damals noch nicht so zugebaut wie heute und darum noch recht wild, so konnte man noch einige Jahre den Feldhasen sehen und die Haubenlerche, die übrigens hier auf der Kraftwerkparzelle 1550 in Birsfelden im Jahr 1975 ihren letzten schweizerischen Brutplatz hatte! Leider wurde vor der SBB in jener Zeit bei ihren Gleisunterhaltsarbeiten zu viel Herbizide eingesetzt.  So kamen die Bruten nicht mehr durch, weil die samenfressenden Vögel in den Geleisen ihr Futter suchten und die Eischalen nachweislich immer dünner wurden und der Embryo abstarb. So sind wir* auch auf den Entschluss gekommen uns aktiv für die Erhaltung der Lebensräume der Fauna und Flora in Birsfelden zu unternehmen.

Neu gepflanzter Speierlingbaum 2 - Biotop Am Stausee, 21. April 2018 (© NVVB)

Guido pflanzt den Speierling-Jubiläumsbaum

Du warst ja einer der Haupt-Gründungsmitglieder des NVVBs, wie kam es dazu?
Ich war mit gleichgesinnten jahrelang Mitglieder der OG Birsfelden, die sich Hauptsächlich der Kaninchen- und Geflügelzucht widmen. Gerade Ende der 70-er Jahre kamen die ersten Meldungen, dass es der Flora und Fauna der Schweiz nicht mehr so gut geht, so wollten wir der Schutz der Wildtiere deren Lebensräume und die Pflanzenwelt mit in den Verein integrieren, resp. mehr darauf Aufmerksam machen, doch die Mitgliederversammlung der OG Birsfelden wollten dies nicht und ersuchten uns den Verein zu verlassen. Somit gründende ich mit Gleichgesinnten den NVVB, der den Hauptzweck den Schutz, die Pflege und die Verbesserung der Lebensgrundlagen von Flora und Fauna und die Sicherung der biologischen Vielfalt in der Gemeinde Birsfelden und darüber hinaus, verschrieben hat.

Gleichzeitig kam die Bürger-Initiative „Aktion 1550“ (daraus gründete sich der Quartierverein Sternenfeld) zustande, die sich für mehr Grün auf der Kraftwerkparzelle 1550 einsetzte. Dieser Aktion kam zur rechten Zeit und wir konnten uns mit unserem neugegründeten Verein direkt dafür engagieren.

Artikel über Guido Müller (Birsfelder Anzeiger, 1985)

Portrait: Birsfelder Anzeiger 1985

Du warst von 1983 bis 1991 NVVB-Präsident, was war(en) dein(e) grössten Höhepunkte / Erfolg(e) als Präsident?
Natürlich 1983 das Umsetzen der Pläne des „Biotop Am Stausee“. Dann hatten wir Glück, dass zur selben Zeit der Zürcher Ringier-Verlag die Aktion „Schweiz Grün – Die Naturaktion im Gelben Heft“ lancierte und ich mich bemühte, dass unser Projekt den Zuschlag für Heckenpflanzen erhielt. Was mir auch gelang und so erhielten wir 200 verschiedene einheimische Sträucher von 14 Pflanzenarten, die wir schon bald neben den Sträuchern, die die Gemeinde Birsfelden besorgte, anpflanzten. Schön war auch das Erlebnis mit dem damals noch jungen Geschäftsführer von BirdLife Schweiz – Werner Müller -, ich konnte ihm das neuerschaffenen Naturjuwel zeigen, er befand es schon damals als schützenswert! Auf Initiative von einem weiteren Vereinsgründungsmitglied – dem Biologen Heiner Lenzin -, haben wir 1984 das Naturinventar Birsfelden minutiös zusammengestellt. Ein weiteres Highlight als Präsident waren die ornithologischen Frühexkursionen in den Hardwald mit der Realschule Birsfelden Ende der 80-er Jahre. Das pflanzen der Silberpappel mit Ernst Meyer von der Gemeinde und auch später der Stiel-Eichen im „Biotop am Stausee“ sind mir als positives Beispiel geblieben, sowie die wunderbar funktionierende Zusammenarbeit mit der Gemeinde Birsfelden. Daneben war natürlich die Mitgliederwerbung mir als 1. Präsident ein grosses Anliegen.

Silberpappel - Biotop Am Stausee, 2016 (© NVVB)

Silberpappel im Biotop Am Stausee (© NVVB)

An welches Natur-Erlebnis im Zusammenhang mit dem „Biotop Am Stausee“ kannst du dich besonders erinnern?
Vor allem die vielen Zugvögel, wie Wiedehopf, Steinschmätzer und Co. die schon bald das Gebiet auf ihrem Weg von ihren Überwinterungsgebieten ins Brutgebiet und zurück, als Rast- und Futterplatz entdeckten. Diese profitierten von der rasanten Entwicklung von Wiesen, Hecken und Teich. Da ich noch heute auf Blick zum „Biotop Am Stausee“ wohne, mache ich fast täglich immer noch so wunderbare Beobachtungen, was mir viel Vergnügen bereitet und mich glücklich stimmt.

Wenn du ein Vogel wärst, welcher wäre es und warum?
Ein Braunkehlchen, weil er ein Vogel ist, der in den extensiv bewirtschafteten Alpwiesen vorkommt und diese Art immer weiter zurückgedrängt wird. In dem ich die Schweizer Berghilfe unterstützte, versuche ich damit solche Lebensräume zu erhalten, denn auch ich und meine Frau bewegten sich sehr viel in dieser Bergwelt.

Braunkehlchen - Biotop Birsfelden Mai 2015 (© Thomas Blum)

Braunkehlchen – Biotop Birsfelden Mai 2015 (© Thomas Blum)

Wenn du ein Säugetier wärst, welches wäre es und warum?
Der Steinbock, er ist mit seinem mächtigen Körperbau und seiner Trittsicherheit das grösste Alpentier und weil er sich nach seiner Ausrottung im 19. Jahrhundert, durch die grossangelegte Wiederansiedlung zu Beginn des 20. Jahrhundert, wieder gut in der Fauna der Alpen erholt hat.

Hast du eine Lieblingspflanze?
Das Edelweiss und alle andere Alpenblumen vom Gletscher-Hahnenfuss bis hin zur Feuerlilie und auch den Himmelsherold. Weil diese in der kargen Umgebung mit der kurzen Vegetationszeit zu kämpfen haben. Dies hat mich alle Jahre immer wieder fasziniert, ich bin froh, dass ich das alles noch sehen durfte.

Das „Biotop Am Stausee“ gibt’s es nun schon 35 Jahre, bist du zufrieden was daraus geworden ist?
Ich bin sehr zufrieden, dass durch das Grosse ehrenamtliche Engagement – mit vielen tausenden von Arbeitsstunden der NVVB-Mitgliedern -, und vor allem, dass wir es geschafft haben mit vielen anderen naturverbundenen Quartierbewohnern und darüber hinaus, mit der Gemeinde Birsfelden und natürlich mit der Grundstückbesitzerin – der Kraftwerk Birsfelden AG (KWB) -, ein Teil dieser Parzelle 1550 als Grünfläche zu bewahren. So ist über all die Jahre, dieses prächtige und schützenswerte Natur-Eldorado entstanden für Säugetiere, Vögel, Insekten, Amphibien und natürlich auch für die Bevölkerung und Besucher aus der Region, die nun in den heutigen hektischen Zeiten ein Ort zum verweilen haben und auch um sie darauf aufmerksam zu machen, wie wertvoll solche immer weniger werdenden Grünflächen gerade in Zeiten des Insektensterbens und des massiven Rückgangs der Vogel- und Amphibienarten geworden sind.

Zum Schluss möchte ich gerne wissen, was wünscht du dir für die Zukunft des „Biotop Am Stausee“ und für die Naturvielfalt der Gemeinde Birsfelden?
Ich bin zuversichtlich, dass es in der heutigen Form bestehen bleibt. Durch den grossen Einsatz der NVVB Mitglieder, der Gemeinde Birsfelden, sowie der Landbesitzerin der KWB, könnte einen solche Oase für die Nachwelt erhalten bleiben. Es wäre auch wünschenswert, wenn ein kommunal- oder kantonaler Schutz erreicht werden könnte.

Ich danke dem Vorstand und der heutigen aktiven Mitgliedschaft für ihren grossen Einsatz für noch mehr Natur in Birsfelden.

Biotop Am Stausee, Juli 2018 (© NVVB)

Der tägliche Blick von Guido ins Naturschutzgebiet

Interview geführt durch Vorstandsmitglied: Judith Roth, im Juli 2018

Eine verkürzte Version wurde auch im Birsfelder Anzeiger vom 17. August 2018 veröffentlicht
→ Wir erhielten 200 einheimische Sträucher


Serie 1-6
1: Fritz Raschdorf
2: Guido Müller
3: Heiner Lenzin
4: Fritz Liechti
5: Fredi Niffeler, Toni Lenz und Kurt Krüger
6: Örni Akeret

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