INTERVIEW-SERIE 1/6: 35 JAHRE „BIOTOP AM STAUSEE“

Anlässlich des Wildpflanzenmarkt 2018 im Biotop Am Stausee (© NVVB)

Fitz Raschdorf in der Mitte umringt von Naturschützern (© NVVB)


35-jähriges Bestehen des „Biotop Am Stausee“ – Mitglieder erzählen wie alles begann Und mehr…

Interview mit Fritz Raschdorf Mit-Initiant

Stell dich bitte in 2 Sätzen kurz vor
Ich bin ein Naturliebhaber, der die Kindheit in meinem Leben rumträgt. Weiter hat mich das Experimentieren schon früh interessiert, darum bin ich auch Chemiker geworden.

Warum wurdest du nicht Biologe?
Damals fand ich Chemie spannend. Wir hatten einen guten Chemie-Lehrer. Und ich bin dabeigeblieben. Weiter kann man ja die Natur nicht besitzen…Ich wollte immer staunen und beobachten.

Wie ist deine Liebe zur Natur entstanden?
Mein Bezug zu Pflanzen und Tieren war der grosse Hof meines Grossvaters in Schlesien (heute Polen) und meine Liebe zu Afrika, die wuchs immer mehr, da ich jeden Tag die grossen Oryx-Antilopen auf einem Bild in meinem Zimmer gesehen habe.

Maisfeld 1975 - Parzelle 1550 (© C. + U. Zimmer, Basel)

Maisfeld 1975 – Parzelle 1550 (© C. + U. Zimmer, Basel)

An welches Natur-Erlebnis im Zusammenhang mit dem „Biotop Am Stausee“ kannst du dich erinnern?
Bevor die Kraftwerkparzelle so entstand wie sie sich heute darstellt, war dort ein Maisfeld und im Sternenfeldquartier gab es noch viele Brachfelder und Gärten (diese sind heute alle mit Hochhäusern verbaut). Damals hörte ich dort wider Erwarten den Gesang einer Haubenlerche. Dieser Gesang erinnerte mich an meine Heimat Schlesien und die spätere Kindheit in Lübeck, wo vermehrt auch zur Winterzeit die Haubenlerchen auftauchten. Haubenlerchen waren vielen heimischen Ornithologen unbekannt. Ich konnte mit meiner Beobachtung Vogelfreunde darauf aufmerksam machen. Es gab sogar im Sternenfeld eine Haubenlerchen-Brut. Auch die Feldhasen gab’s noch im Sternenfeld. Alle diese sensationellen Entdeckungen im Quartier brachten heimatliche Gefühle hervor.

Was hat dich dazu bewogen, sich für die Anliegen der Natur im Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden (NVVB) zu engagieren?
Ich fand in meinem damaligen Wohnort Birsfelden (ich wohnte ja früher Am Stausee 23 in der Dachwohnung mit einem Rundumblick auf die Region) einen neugegründeten Naturschutz-Verein, da habe ich mich dazu berufen gefühlt, mitzumachen. Ich fand sehr viele Leute mit den gleichen Interessen.

Wenn du ein Vogel wärst, welcher wäre es und warum?
Ein Mauersegler (Spyre). Er ist für mich der Sommervogel, der die Liebe zu zwei Kontinenten verbindet.

Wenn du ein Säugetier wärst, welches wäre es und warum?
Ein Feldhase, da er mich an meine Heimat erinnert.

Lieblingspflanze?
Die Skabiose-Flockenblume, sie hat sehr schöne interessante Blätter und fällt alleine auf wegen der Grösse ihrer Blüte. Sie zieht viele Insektenarten an.

Warum gibt es das heutige „Biotop Am Stausee“ überhaupt?

Parzelle 1550 1983 (© Michael Przewrocki, Birsfelden)

Noch ohne „Biotop Am Stausee“, Tennisplätze und Familiengärten

Beim Bau der zweiten Schleuse Ende der siebziger Jahre wurde über die Zukunft des Areals 1550 diskutiert. Der Wunsch der Anwohner, dort einen Grüngürtel zu schaffen, wurde vom Gemeinderat sympathisch aufgenommen und von der Kraftwerk Birsfelden AG aufgegriffen. Der Gemeinderat von Birsfelden schlug eine Grün- und Erholungszone vor und übertrug dem Birsfelder Naturschutzverein die Projektierung. Daraus ist das heutige vielfältige Lebensraummosaik „Biotop am Stausee“ entstanden. Und eine erstaunliche Anzahl von Leuten hat sich seit den Anfängen bis heute dort engagiert. Der NVVB ist bis zum heutigen Tag für Pflege und Wartung zuständig. Die jährlichen Massnahmen werden protokolliert.

Bist du zufrieden was daraus geworden ist?
Ja, denn die damalige Grundidee wurde umgesetzt und besteht bis heute. Mehr kann man in diesen engen räumlichen Verhältnissen nicht verlangen.

Hattest du noch andere solche Ideen für Birsfelden?
Ja, auch an anderer Stelle konnte etwas für die Natur getan werden. So wurden am Vorhafen, an der Birs und an anderen Orten in Birsfelden Wildhecken gepflanzt, Nisthilfen für Mauersegler und Mehlschwalben platziert uvm. Auch Ersatzteiche für die Erdkröten und Grasfrösche am Waldrand an der Hardstrasse, die immer zur Staatsgrube wanderten und dabei von den Lastwagen totgefahren wurden, konnten wir anlegen. Wir konnten das Bewusstsein steigern, dass sich in der Staatsgrube eine regional bedeutende Geburtshelferkröten-Population befand. Leider wurde diese aus unerklärlichen Gründen zerstört.

Du bist mit deiner Frau schon 1984 von Birsfelden nach Basel weggezogen, bist aber bis heute dem NVVB treu geblieben. Hast du dich auch an deinem neuen Wohnort für die Natur eingesetzt?
Die Erfahrungen für den Schutz der Natur in Birsfelden brachten mich in den Vorstand von Pro Natur Basel. Mein Engagement führte mich zum TRUZ (Trinationales Umweltzentrum) auf Deutscher Seite. Zum Beispiel mit dem Anlegen eines grossen Naturschutzgebiets in der Kiesgrube Käppelin (Weil am Rhein), welches bis heute ein weiteres Naturjuwel in der Region ist.

Zum Schluss möchte ich gerne wissen, wo siehst du das „Biotop Am Stausee“ in den nächsten Jahren?
Ich möchte, dass der NVVB weiterhin die Pflege innehat und dass das gute Verhältnis zwischen dem NVVB, der Grundstückbesitzerin und der Gemeinde Bestand hat und dass alles so bleibt wie es ist. Dieses Gebiet ist ja ein gutes Beispiel wie Naturförderung im Kleinen geschehen kann. Sie sollte in der stark-überbauten Gemeinde Birsfelden Nachahmer finden. Denn die Bedeutung dieser Naturoase hängt mit dem nahen Rhein zusammen und ist ein wichtiger Ort für die Wandervögel (Zugvögel). Eine der grossen Möglichkeiten, die Natur zu vernetzen am Rücken des Rheins. Der Erhalt der Artenvielfalt kann nur im jetzigen Sinne gewährt bleiben. Weiter ist der Wert dieses Gebietes mehrfach belegt. Darum bin ich erstaunt, dass es nicht schon längst einen regionalen, wenn nicht kantonalen Schutzstatus hat. Vielleicht schaffen es ja die Kraftwerk Birsfelden AG und die Gemeinde Birsfelden zusammen mit dem Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden dies irgendwann zu erreichen. Für die sehr stark überbaute Gemeinde Birsfelden wäre das wünschenswert und man würde der Natur etwas Längerfristiges zurückgeben. Wie ich weiter oben schon gesagt habe: „Die Natur kann man nicht besitzen“.

Biotop Am Stausee, Juni 2017 (© NVVB)

Biotop Am Stausee im Juni 2017 (© NVVB)

Interview geführt durch Vorstandsmitglied: Judith Roth, Ende Januar 2018

Eine verkürzte Version wurde auch im Birsfelder Anzeiger vom 10. August 2018 veröffentlicht
→ Ein gutes Beispiel für Naturförderung im Kleinen


Serie 1-6
1: Fritz Raschdorf (1934 – 2019)
2: Guido Müller
3: Heiner Lenzin
4: Fritz Liechti
5: Fredi Niffeler, Toni Lenz und Kurt Krüger
6: Örni Akeret

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